Fehler machen – mit Erfolg!

Plädoyer für eine gesündere Fehlerkultur in der Schule

Heute ist Silvester und da ich Selbstreflexion liebe, gehe auch ich heute in mich und bringe meine Erkenntnisse dieses vergangenen verrückten Jahres auf den Punkt. Ich sortiere dabei alle Ereignisse unter zwei Kategorien ein: „Erfolge und Learnings“

Mein größter Erfolg des Jahres

Der größte Erfolg dieses Jahres ist für mich, dass mein Mann, @der.psychologiker, – Homeoffice sei Dank! – für mich in diesem Jahr zum wichtigsten Mitarbeiter wurde. Und das geschah quasi nebenbei …

Vor der Arbeit eine kurze Runde ums Feld laufen. Wer geht mit? – @der.psychologiker!

Kaffeepause! Ach, wer steht denn da an der Espressomaschine? – @der.psychologiker!

Zündende Idee am Schreibtisch! Wer hört sie sich schnell an? – Man ahnt es bereits …

Und so bestätigte sich in diesem Jahr noch einmal mehr, was ich längst ahnte: Es gibt keinen Menschen, mit dem ich meine Zeit lieber verbringe.  (Außer vielleicht unsere beiden Ableger. Auch wenn die Spaziergeh- und Kaffeemuffel sind und noch immer keine Business-Ideen beizutragen haben … #wirarbeitendaran)

Unser erstes gemeinsames berufliches Projekt,  „Jolly Journal – das Tagebuch für den positiven Lehreralltag“ sollte eigentlich nur der Auftakt für viele weitere LockerLehrer-Bücher werden. #coronaseidank – es blieb blieb erst einmal bei einem Buch! Stattdessen krempelten wir die Ärmel hoch und entwickelten ein einzigartiges Konzept für positive Lehrer(aus)bildung – in Form unseres ersten gemeinsamen Onlinekurses.

Und so wurde mein LockerLehrer-Tipp, der schon unzählige Male von Klient:innen erfolgreich umgesetzt worden war, auch für mich selbst zum bahnbrechenden Prinzip:

Erlebnisse und Ergebnisse – auch wenn es sich um Fehler handelt – sind ausschließlich in Erfolge und Learnings einzuteilen!

Jolly Journal, das Tagebuch für den positiven Lehreralltag

Des Lehrers verflixte Richtig-oder-falsch-Denke

„Aber Lydiaaa …  Fehler sind Fehler – da lässt sich nichts beschönigen!“

Ja, Fehler sind in unserem „System“ unerwünscht. Und vor allem als Lehrpersonen sind wir grundsätzlich schnell dabei, Urteile abzugeben – ist doch die „Richtig-oder-falsch-Denke“ Teil unseres Rotstiftmilleus. Nur dass unser Gegenüber selten Danke sagt.. Der Hinweis auf Fehler hat selten motivierenden Charakter. Und ganz oft führt er leider nicht zu dem Ergebnis, dass mehr gelernt bzw. sich zum Positiven weiterentwickelt wird.

Fehlerteufel schürt Schülerfrust

Wenn Fehler verurteilenswürdig sind, wenn sie mit aller Kraft verhindert werden müssen, wenn wir auf den Fehlern unserer Schüler:innen herumreiten, als stünde ihre Zukunft ernsthaft auf dem Spiel, wenn sie in Klasse 6 in Mathe auf 4 stehen, sehen sie irgendwann nur noch ihre Defizite. Ihre Strategien, damit umzugehen, heißen dann nicht selten: Frust schieben, gleich aufgeben oder anders (verhaltens-) auffällig werden – um sich überhaupt noch irgendwie als „Handelnde“ in diesem Laden zu spüren.

 „Wenn ich hier schon nichts Positives beizutragen habe, dann halt Negatives!“

(So denkt natürlich keiner deiner kleinen Rabauken. Doch du hast bestimmt – genau wie ich – gewisse „Kandidaten“ vor Augen, auf die es zutrifft..)

Das Referendariat als fiese Fehler-Falle

Auch Referendar:innen werden vom Schreckgespenst „Bloß-nichts-falschmachen“ heimgesucht. Es zermürbt sie im Laufe des Referendariats das ständige Hingewiesen-Sein auf alles, was noch nicht gut läuft. Die meisten kommen nach 2/3 der Zeit zu mir, weil sie kurz vor dem Aufgeben sind – da sie keinerlei Erfolge mehr spüren, sich ausschließlich als defizitär wahrnehmen. Warum bringt ihnen niemand bei, Frust und Fehler gesund zu verarbeiten – so dass sie dies eines Tages auch ihren Schützlingen nahelegen können?

„Ich zerfleische mich lieber selbst – bevor es ein anderer tut!“

Und dann ist da noch die so vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrern innewohnende Selbstkritik, die ihnen unnötig Kraft im Schulbetrieb kostet, persönliches Wachstum eher erschwert. Die einen schämen sich so sehr für ihre Fehler und Schwächen, dass sie Misserfolge lieber unter den Teppich kehren: „Nee, also, bei mir ist die 7c immer tippitop!“ Lieber nicht zugeben, dass man auch dir schon mehrmals aufs Dach gestiegen ist und du dich mit den Abiturkorrekturen überfordert fühlst!

Die andere Fraktion macht es zum guten Ton im Lehrerzimmer, sich selbst zu zerfleischen, wenn man danebenlag. Damit demnonstriert man immerhin einen gewissen Anspruch an sich selbst!

Ich mache Fehler – und das ist auch gut so!

Stabilisierender ist es jedoch, wenn du dich am Ende einer Unterrichtsstunde nicht auskotzt zu lange über Misserfolge ärgerst, sondern dich stattdessen fragst:

Was war ein voller Erfolg?

Was habe ich gelernt?

Der Fokus auf die positiven Aspekte deines Schulalltages ist extrem wichtig, da du nur daraus positive Energie ziehen kannst. (Und da du den LockerLehrer-Podcast rauf- und runterhörst, fällt dir das längst nicht mehr schwer!)

Die Schwachpunkte, die Missstände, die Gefahren – die nimmst du evolutionärbedingt von ganz alleine und vor allem als allererstes wahr. Bleibst du dabei stehen, ist es kein Wunder, dass du immer frustrierter in die Schule gehst und – noch mehr Fehler machst!

Das „Learning“, aus dem du trotz einer Niederlage positive Energie ziehen kannst, beruht auf Fragen wie:

Was genau ging denn schief?

Was war denn mein Anteil überhaupt – und was lag außerhalb meiner Kontrolle?

Denn wir wollen hier wirklich nichts beschönigen: Natürlich schaust du dir das genau an bzw. lässt dich darauf hinweisen. Als selbstbewusste Lehrperson darfst du dir immerhin völlig selbstverständlich täglich eingestehen: „Ich mache Fehler – und das ist auch gut so!“ An dieser Form von Selbstkritik wächst du ins Positive und damit bist du ein besseres Vorbild für deine Schüler:innen, als wenn du dich für allwissend und unfehlbar ausgibst. (Was eh nicht klappt – die sind ja nicht blöd..)

Destruktiv ist dies nur, wenn du dich deswegen zerfleischst.

Alles wieder und wieder durchgrübelst.

Dich innerlich schämst oder äußerlich kleinmachst.

Es jedem auf die Nase bindest und dich dabei tausendmal entschuldigst …

Dies verstärkt alles Unangenehme nur. Es bindet kreative Kräfte, die du eigentlich jetzt zum Auffinden von Lösungen und zum Weitermachen brauchst.

Dabei liegt dein Fehler in der Vergangenheit! Du kannst ihn nicht ungeschehen machen! Natürlich darfst du einmal laut „F*******!!!“ rufen und deinen Frust rauslassen. Oder tob dich aus, indem du einmal um den Schulhof hechtest. Aber dann drückst du bitte die innere STOPP-Taste, tust irgendetwas, was dir guttut, schaust daraufhin wieder nach vorne und frage dich nüchtern:

Woran hat´s gelegen?

Was mache ich beim nächsten Mal anders?

Wen oder was brauche ich dafür?

(Nicht zu vergessen: Was kann ich jetzt erst einmal dafür tun, dass es mir besser geht?)

Um es mit einem Lieblingsmotto auf den Punkt zu bringen:

Wie mache ich aus diesem Mist hier Dünger?

LockerLehrer

Mit etwas Übung wirst du irgendwann immer leichter sagen können: „Danke für diesen Fehler! Danke, dass ich DAS jetzt gelernt habe. Ich werde dadurch immer besser!“ Und so reagierst du jedes Mal etwas gelassener, wenn in deinem Lehrerleben etwas schiefläuft.

Nebenwirkung: Empathie statt Ellenbogen

Eine wichtige Nebenwirkung dieses Umgangs mit deinen Fehlern ist: Du wirst zugleich immer empathischer. Denn je gnädiger du mit deinen eigenen Niederlagen umgehst, desto leichter fällt dir das auch im Umgang mit den Fehlern deiner Mitmenschen. Wie wichtig das für die Fehlerkultur an Schule ist, muss ich dir nicht erklären …

Klar, es ist ärgerlich, dass die junge Kollegin sich schon wieder krankmeldet und du sie in der wilden 7c vertreten musst. Doch seitdem auch du dich nicht mehr schämst, dass dein Kind in diesem Jahr die x-te schwere Erkältung zu Hause auskuriert, bist du ihr nicht mehr lange gram.

Klar, du flippst aus wie Rumpelstilzchen, dass viele Kids für die Arbeit nicht einmal Vokabeln wiederholt haben. Doch das tust du nur kurz. Danach fragst du sie: „Welche Strategien nutzt ihr eigentlich? Was ist so schlimm an dieser Lektion, dass keiner Bock drauf hat?“ Du kommst wieder runter, unterhältst dich wieder auf Augenhöhe mit ihnen und nimmst ihre Antworten ernst – selbst wenn sie dir nicht schmecken. Statt allgemeinen Frustschiebens wegen verhauener Klassenarbeit findet heute noch Unterricht statt – weil die Lehrperson da vorne einfach gelassen weitermacht.

Und so können auch die zuvor zusammengefalteten Schüler:innen wieder Motivation entwickeln, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Mit welchem Vokabular du deine Schüler:innen noch motivierst, erfährst du hier, hier, hier und hier.

Zeit für eine neue Fehlerkultur

Wie fühlt sich das für dich an? Erstrebenswert, oder nicht? Ich persönlich finde, es ist allerhöchste Eisenbahn, dass wir Fehlern in der Schule den Stachel nehmen. Dass es nicht mehr weh tut, daneben zu liegen, sondern Teil eines Lernprozesses ist – der z.B. durch Lernentwicklungsgespräche begleitet wird. Dass auch Lehrende wieder als Lernende sichtbar sein dürfen.

Es wird Zeit, dass Schüler:innen schlechte Noten nicht mehr persönlich nehmen, sondern sofort ins positive Tun kommen können – weil sie ihre Würde nicht verloren haben!

LockerLehrer

Zeit, Schüler:innen eine solche Fehlerkultur vorzuleben. Wenn wir es als Lockerlehrerpersönlichkeiten nicht tun – wer dann?

Ich wünsche dir von ♥️en, dass du trotz möglicher Bremsen, Fehlschläge und Niederlagen in diesem Jahr zuversichtlich nach vorne schauen kannst.

Dies klappt am besten, wenn du gnädig mit dir bist, genau hinschaust, was du aus der Misere lernen und worin du Potenzial für positive Veränderung in der Zukunft sehen kannst.

#ausmistduengermachen

Ich freue mich, dich auch 2021 gemeinsam mit meinem „Mitarbeiter des Jahres“ dabei begleiten zu dürfen!

Bis dahin: Locker Lehrer!